22.10.2020
Arbeitsverdichtung, Existenznot, die Umstellung auf Homeoffice und die ständige Angst vor einer Infektion – viele Beschäftigte stehen während der Coronavirus-Pandemie unter hohem psychischem Druck. Eine neue Handlungshilfe unterstützt Arbeitgebende und Verantwortliche für Sicherheit und Gesundheit in den Betrieben, die psychische Belastung während der Pandemie im Blick zu behalten.
Vor welchen psychischen Herausforderungen stehen Beschäftigte?
Gute Arbeitsbedingungen angesichts der Coronavirus-Pandemie zu schaffen, stellt derzeit Arbeitgebende vor eine große Herausforderung. Viele Betriebe, Unternehmen oder Organisationen haben in kurzer Zeit Schutzmaßnahmen ergriffen, um eine weitere Verbreitung des Coronavirus zu verhindern. Gleichzeitig kommt in vielen Betrieben die Frage auf, wie über den Infektionsschutz hinaus die physische und psychische Gesundheit der Beschäftigten in dieser Krisensituation geschützt werden kann. Die Gestaltung der Arbeitsbedingungen hat dabei einen erheblichen Einfluss, wie gut die Beschäftigten mit den neuen Herausforderungen bei der Arbeit umgehen können.
Psychische Belastung: Das sind die wesentlichen Merkmalsbereiche
Die wesentlichen Merkmalsbereiche psychischer Belastungsfaktoren, die bei der Beurteilung und Gestaltung von Arbeitsplätzen herangezogen werden, können auch auf die besonderen Bedingungen während der Coronavirus-Pandemie angewendet werden. Die Beschäftigten müssen unter anderem mit psychischen Herausforderungen umgehen wie
- neue Arbeitsorganisation, aufgrund neuer Prioritäten und veränderter Arbeitsabläufe sowie möglicherweise veränderte Arbeits- und Erholzeiten,
- der emotionalen Inanspruchnahme durch die besonderen Bedürfnisse vieler Menschen in diesem Ausnahmezustand,
- die Umstellung auf das Arbeiten von zu Hause und dem damit einhergehenden Verschwimmen von Arbeitszeit und privater Zeit,
- den veränderten Kommunikations- und Kooperationsmöglichkeiten sowie sozialen Beziehungen bei der Arbeit,
- Arbeitsplatzunsicherheit oder Existenznöte u.a. aufgrund von Kurzarbeit,
- der immanenten eigenen Infektionsgefahr in der Arbeitsumgebung (Angst vor Infektion).
Psychische Belastung: Das sind die möglichen Reaktionsformen
Beschäftigte können auf diese außergewöhnlichen Umstände sehr vielfältig und individuell reagieren, wie nachfolgende Aufzählung möglicher Reaktionsformen in Bezug auf eine psychische Belastung zeigt.
- körperlich
- Sie erleben vermehrt körperliche Beschwerden z. B. Magen-Darm-Probleme, Kopfschmerzen, Atembeschwerden, usw.
- Müde und ausgelaugt fühlen auch nach dem Schlaf oder nach freien Tagen
- Sie spüren bei körperlichen Anforderungen vermehrt Herzrasen und Schwitzen, ihr Blutdruck ist erhöht
- kognitiv
- Sie können gedanklich nicht von den Ereignissen des Arbeitstages abschalten
- Einschätzung ihres eigenes Leistungsvermögens als zu gering
- Häufige Flüchtigkeitsfehler, Konzentrationsschwierigkeiten
- emotional
- Gefühl, ständig gehetzt und unter Druck zu sein sowie nicht mehr zur Ruhe kommen
- Gefühl, gegenüber den Herausforderungen der Tätigkeit ohnmächtig zu sein
- Sie sind im Kontakt mit anderen Personen bei geringen Anlässen ungeduldig und reizbar
- verhaltensbezogen
- Erholungspausen ausfallen lassen
- Übermäßiger, missbräuchlicher Konsum von Alkohol, Zigaretten, Medikamenten oder anderen Drogen
- Verändertes Essverhalten (geminderter/gesteigerter Appetit)
Wie kann die Arbeit gut gestaltet werden, damit die Gesundheit der Beschäftigten nicht gefährdet wird?
Die zur Verfügung gestellte Checkliste enthält eine Sammlung möglicher psychischer Gefährdungen und Maßnahmen zur Gesundheitserhaltung, damit Beschäftigte auch in Krisenzeiten gesund bleiben. Die beschriebenen Herausforderungen der Arbeitsorganisation und Arbeitsgestaltung machen eine Überprüfung und ggf. eine Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung auch im Hinblick auf psychische Gefährdungen erforderlich.
Die Risiken, die durch die Coronavirus-Pandemie entstehen, lassen sich einschätzen, Verantwortlichkeiten festlegen und die Wirksamkeitskontrolle für den Betrieb individuell eintragen. Die Belastungsfaktoren in der Tabelle sollen Arbeitgebenden und Verantwortlichen für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit eine Orientierung geben, wie sie vorgehen können, um die Gesundheit ihrer Beschäftigten zu schützen.
Langfristige negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Beschäftigten – was sollte berücksichtigt werden?
Die Corona-Pandemie als solche (und die damit verbundenen fehlenden Ressourcen und Einschränkungen) kann aufgrund vielfältiger privater wie beruflicher Herausforderungen die körperliche und psychische Gesundheit von Beschäftigten gefährden. Neben den körperlichen Gefahren (z.B. Infektion) sollten langfristige negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit im Blick behalten werden. Die Gefahr psychischer Störungen wie Angststörungen, posttraumatische Belastungsstörungen, Schlafstörungen, depressive Verstimmungen oder andere Anpassungsstörungen zu entwickeln, erhöht sich je länger dieser Ausnahmezustand anhält.
Auch nach überwundener Pandemie ist es möglich, dass Beschäftigte oben beschriebene Symptome psychischer Störungen zeigen, da es schwerfallen kann sich von der Krisensituation zu lösen. Häufig „funktionieren“ Beschäftigte in Krisensituationen oder außergewöhnlichen Belastungssituationen gut. Die Reaktion auf das Erlebte kann später auftreten. Das ist ganz normal nach einer außergewöhnlich belastenden Erfahrung. Daher sollen Arbeitgebende und betriebliche Verantwortliche für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit während und nach der Corona-Krise aufmerksam bleiben und ein systematisches Vorgehen (bei entsprechenden Anzeichen) für den Umgang mit Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit bzw. der Entwicklung von psychischen Störungen bereithalten.
Stärkung der Resilienz von Beschäftigten im Rahmen der Corona-Pandemie
Um die Beschäftigten zu stärken (in Bezug auf ihre Widerstandfähigkeit/Resilienz) und sie auch vor der Entwicklung von psychischen Störungen und körperlichen Erkrankungen (z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen) zu schützen, ist es notwendig, das eigene Handeln mit der aktuellen Situation in Einklang zu bringen. In der Auseinandersetzung mit Belastungsfaktoren bleiben Personen eher gesund, wenn sie ihre Arbeitssituation als verstehbar, handhabbar und sinnvoll begreifen (Kohärenzgefühl). Damit ein solches Kohärenzgefühl bei den Beschäftigten entstehen kann, ist es wichtig, dass die Führungskräfte selbst die drei Aspekte Sinnhaftigkeit, Verstehbarkeit und Handhabbarkeit für sich reflektiert haben und positiv beantworten können. Gleichzeitig sollen die Führungskräfte auch die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass sich ein Kohärenzgefühl bei den Beschäftigten einstellen kann. Das nachfolgende Bild gibt eine sehr gute Übersicht dazu, welche Ressourcen gefördert werden können, die für diese Komponenten entscheidend sind:
Wenn die Beeinträchtigungen psychischer Gesundheit anhalten, sollten Betriebe die Möglichkeit für ihre Beschäftigte schaffen, diese Gefühle offen ansprechen zu dürfen und Unterstützung zu erhalten. So könnten beispielsweise psychologische Erstbetreuende oder die Führungskräfte unterstützend eingreifen. Ferner ist es sinnvoll, professionelle Hilfe zur Krisenintervention in Anspruch zu nehmen, wie z. B. Angebote zur psychosozialen Unterstützung, wo Betroffene direkte und professionelle Unterstützung erhalten sowie bei Bedarf an Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten übermitteln. Diesbezüglich steht Ihnen unser Psychologischer Dienst zur Verfügung, der sich für Sie sowie Ihre Belegschaft ein offenes Ohr nimmt. Mehr Informationen dazu finden Sie hier (https://www.medicassistance.de/dienstleistungen/psychologischer-dienst/).
Bei Fragen oder Anmerkungen melden Sie sich jederzeit gerne unter https://www.medicassistance.de/kontakt/.