Psychische Erkrankungen bei Arbeitnehmern

Die Anzahl an psychischen Erkrankungen und Belastungen, die in der Arbeitswelt vorkommen, nimmt stetig zu. Eine neue Studie belegt nun sogar einen Zusammenhang zwischen der Art der Arbeitsbeschäftigung und der psychischen Gesundheit der Beschäftigten. Für welche Berufsgruppen ein erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen vorliegt und welche Folgen diese haben können, erfahren Sie hier.

Immer mehr psychische Erkrankungen bei Arbeitnehmern

Bereits seit etlichen Jahren ist bei Arbeitnehmern ein folgenschwerer Trend zu erkennen. Die Anzahl der Fehltage, die aufgrund von psychischen Belastungen entstehen, steigt. Das verdeutlichen mehrere Vergleiche. Seit 1997 hat sich die Zahl der Fehltage bedingt durch psychische Erkrankungen mehr als verdreifacht. Im Vergleich von vor 10 Jahren haben sich diese Fehltage mehr als verdoppelt und sind so um 129,4% angestiegen. Auch der vergleichbare Anstieg zum Vorjahr (+5.4%) zeigt, dass der steigende Trend zu mehr Fehltagen, die aus psychischen Störungen resultieren, anhält. Vor allem in den Pflege- und Gesundheitsbereichen, wie in Kliniken oder Pflegeheimen, sowie im Handel und in der Industrie ist der Anteil an Krankschreibungen aufgrund von psychischen Belastungen sehr hoch.

Diese Entwicklung hat auch zur Folge, dass mittlerweile jeder sechste Fehltag eines Arbeitnehmers aufgrund psychischer Erkrankungen erfolgt. Damit liegen diese auf dem dritten Platz hinter den Muskel-Skelett- sowie den Atemwegserkrankungen. Darüber hinaus ist ebenfalls ein Anstieg bei den Zugängen in den Erwerbsminderungsrenten zu sehen, die aus psychischen Störungen resultieren.

Welche Arbeitsgruppen sind anfällig für psychische Erkrankungen?

Bei der Anfälligkeit für psychische Belastungen ist festzustellen, dass bestimmte Berufsgruppen im Vergleich zu anderen ein deutlich höheres Potenzial aufweisen. So sind vor allem Berufe, die sich vorrangig mit anderen Menschen beschäftigen und gleichzeitig ein hohes Maß an psychosozialem Stress aufweisen, besonders anfällig. Zu diesen Arbeitsgruppen gehören Gesundheits- und Erziehungsberufe sowie Sicherheitsberufe. Diese Berufe weisen einen überdurchschnittlich hohen Wert an Fehltagen aufgrund psychischer Erkrankungen auf. Damit wird deutlich, dass die Arbeit und die dortigen Arbeitsbedingungen mit der Anfälligkeit von Beschäftigten, einen Fehltag aufgrund von psychischen Störungen zu erleiden, zusammenhängen.

Zusammenhang zwischen der Beschäftigungsart und der Gesundheit

Neben den Fakten, dass die Anzahl an Fehltagen aufgrund psychischer Erkrankungen zunimmt und bestimmte Berufsgruppen für psychische Probleme besonders anfällig sind, hat eine neue Studie des Arbeitsministeriums nun einen direkten Zusammenhang zwischen der Art der Beschäftigung und der psychischen Gesundheit von Arbeitnehmern festgestellt. Konkret handelt es sich dabei um diejenigen Beschäftigten, die in einer atypischen Beschäftigungsform angestellt sind. Solche Beschäftigungsformen weichen von der „Norm“ ab und wären zum Beispiel Teilzeit, Leiharbeit, befristete Beschäftigung, Selbständigkeit, Mehrfachbeschäftigung oder auch Arbeiten auf Niedriglohnbasis. Personen, die in diesen Beschäftigungsformen angestellt sind, verfügen über eine schlechtere psychische Verfassung als Normalbeschäftigte, bestätigt das Ministerium.

Die Studie legt anhand verschiedener Messzeitpunkte dar, dass Beschäftigte in atypischen Formen, die zu Beginn der Erhebung keine depressiven Symptome aufgewiesen haben, mit einer höheren Wahrscheinlichkeit depressiv werden als Normalbeschäftigte mit den gleichen Ausgangsvoraussetzungen. Außerdem ist festzustellen, dass Personen, die über einen längeren Zeitraum in atypischen Beschäftigungsformen arbeiten, stärkere Beeinträchtigungen in ihrer psychischen Gesundheit davontragen. Daraus resultiert eine geringere Arbeits- und Lebenszufriedenheit bei diesen Beschäftigten im Vergleich zu Normalbeschäftigten. Dem gegenüber steht allerdings der Fakt, dass zum Beispiel die Teilzeitarbeit einen positiven Effekt auf das Wohlbefinden der Beschäftigten hat.

Welche Faktoren können die psychische Gesundheit belasten?

In einem Arbeitsverhältnis können viele verschiedene Faktoren dazu beitragen, dass die psychische Gesundheit belastet wird. Wir haben Ihnen ein paar Faktoren bereitgestellt, die als Auslöser für psychische Erkrankungen fungieren können:

  • Arbeitsverdichtung
  • Dünne Personaldecke
  • Überstunden
  • Nacht- und Wochenendarbeit
  • Schlechte Bezahlung
  • Flexibilisierung des Arbeitsmarktes (Befristungen, Leiharbeit, Werkvertragsarbeit und entgrenzte Arbeitszeiten)
  • Unsichere Beschäftigungssituation
  • Ständig neue Arbeitszusammenhänge
  • Viel Stress
  • Steigender Leistungsdruck
  • Schlechte Arbeitsbedingungen

Folgen der psychischen Erkrankungen

Spielen die belastenden Faktoren im Arbeitsverhältnis für einen längeren Zeitraum eine zentrale Rolle im Arbeitsleben des Beschäftigten, können sich aus diesen anfänglichen psychischen Belastungen auch schwerwiegende psychische Erkrankungen bilden. Zu den weiteren Folgen zählen unter anderem Depressionen sowie Burn-out.

Fokusgruppe der psychischen Erkrankungen: Leiharbeiter

Während bereits festgestellt wurde, dass atypisch Beschäftigte besonders anfällig für psychische Belastungen sind und nachweislich mit einer höheren Wahrscheinlichkeit depressiv werden, kristallisiert sich eine bestimmte Berufsgruppe als besonders gefährdet heraus. Diese Fokusgruppe sind die Leiharbeiter. So leiden vor allem diese noch häufiger als andere atypisch Beschäftigte an Beeinträchtigungen der Gesundheit aufgrund psychischer Erkrankungen sowie an den Folgen dieser.

Als Gründe für die sehr hohe Anfälligkeit für psychische Erkrankungen gelten der geringe Handlungsspielraum, die sehr hohe Arbeitsplatzunsicherheit, das im Vergleich zur Stammbelegschaft geringere Einkommen sowie die geringere Zufriedenheit über die aktuelle berufliche Situation.

Diese Unzufriedenheit spiegelt sich allerdings nur bei den männlichen Leiharbeitern wider. Während diese deutlich unzufriedener sind als Normalbeschäftigte, sind die weiblichen Leiharbeiter genauso zufrieden wie Frauen, die in regulären Beschäftigungsverhältnissen angestellt sind.

Beschäftigungssituation in Deutschland

Die derzeitige Beschäftigungssituation in Deutschland zeigt folgende Trends. Immer mehr atypisch Beschäftigte und vor allem Leiharbeiter werden in Deutschland eingestellt. Durchschnittlich werden vier von zehn neuen Mitarbeitern momentan befristet eingestellt. Vor allem bei größeren Unternehmen und Betrieben in Deutschland ist das der Fall.

Derzeit sind rund 20% der Beschäftigten in Deutschland in atypischen Beschäftigungsverhältnissen angestellt. Die überwiegende Mehrheit davon ist weiblich.

Gerade bei der Fokusgruppe der psychischen Belastungen, den Leiharbeitern, ist ein enormer Zuwachs in den vergangenen Jahren zu erkennen. Zwischen 2007 und 2017 ist der Anteil an Leiharbeitern in deutschen Firmen um satte 43 Prozent angestiegen – Tendenz weiter steigend.

Psychische Erkrankungen bleiben eine große Herausforderung

Mehrere Millionen Menschen sind aufgrund ihrer Arbeitsform, der atypischen Beschäftigungsform, einem erhöhten Risiko ausgesetzt, psychische Erkrankungen zu erleiden und damit auch an den Folgeerscheinungen, wie Depressionen, Burn-out oder sonstigem seelischen Leid zu erkranken. Um bei dieser Berufsgruppe das Risiko eindämmen zu können, ist das Etablieren sinnvoller und wirksamer Gegenmaßnahmen zu empfehlen.

Potenzielle Maßnahmen für Unternehmen und Betriebe könnten sein:

 

  • Klare Abgrenzung von Beruf und Freizeit, zum Beispiel durch
      • eine Vereinbarung, dass nach Feierabend keine geschäftlichen E-Mails gelesen werden
      • eine Vereinbarung, dass eine private Kontaktaufnahme des Arbeitsnehmers nur in äußersten Notfällen stattfinden darf
      • das Setzen von Prioritäten und das Verbessern des Zeitmanagements

 

  • Reduzierung von Abend-, Wochenend- und Schichtarbeit, z.B. durch
      • kürzere Arbeitszeiten beim Schichtsystem
      • Gleitzeit
      • vorwärts rotierende Schichtpläne
      • kurze Nachtschichtphasen

 

  • Verbesserung der Arbeitsbedingungen, z.B. durch
      • Feedback- und Mitarbeitergespräche
      • Anerkennung für erbrachte Leistungen
      • Sicherheit des Arbeitsplatzes
      • Weiterbildungsangebote
      • ergonomische Arbeitsplätze
      • richtige Beleuchtung
      • gesunde Ernährung
      • Sportangebote
      • Teambuilding-Maßnahmen

 

  • Anpassung der Arbeitszeit an die Bedürfnisse der Beschäftigten sowie Schaffen von familiengerechteren Arbeitszeiten zum Beispiel durch
      • Home-Office
      • Gleitzeit
      • Vertrauensarbeitszeit
      • freie Gestaltung der Arbeitszeit
      • festgelegte Arbeitsstundenzahl mit flexibler Verteilung der Stunden über den Tag
      • Job-Sharing
      • Lebensarbeitszeitkonten
  • Aufstockung von Personal
  • Etablieren von Tariflöhnen

Darüber hinaus könnten auch die Gewerbeaufsichtsämter stärkere Kontrollen durchführen bzw. Verstöße stärker ahnden. Außerdem wäre es sinnvoll, eine Anti-Stress-Verordnung in jedem Unternehmen zu etablieren sowie die Mitbestimmungsrechte für Betriebs- und Personalräte zu erhöhen. So können die Arbeitsbedingungen für atypisch Beschäftigte nachhaltig verbessert werden.

Nichtsdestotrotz bleibt es eine große Herausforderung, eine Zukunft mit gesundheitsförderlichen Arbeitsbedingungen zu ermöglichen sowie mögliche Faktoren und Ursachen für psychische Erkrankungen einzudämmen. Gleichzeitig bleibt es aber auch erforderlich, psychisch erkrankten Beschäftigten den Zugang zu ihrer Arbeit weiterhin zu ermöglichen und diese mittels geeigneter Maßnahmen zu unterstützen.

Benötigen Sie Hilfe? Unser psychologischer Dienst steht Ihnen mit Rat und Tat zur Seite!



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